Tag 83
Es lagen noch etwa 18 km vor mir bis zum Battle Pass, wo es per Autostopp nach Encampement gehen sollte.
Der Weg ging zuerst durch Schnee und gegen Schluss etwa eine Stunde durch Schlamm. Langsam fragte ich mich, wann wohl meine Füsse zu faulen beginnen, denn es ist lange her, seit sie den letzten Tag trocken überstanden haben. Bei meinen Socken scheint der Prozess schon in vollem Gange zu sein, die stinken gewaltig! Zum Glück wartet auf der Post in Encampment ein neues Paar auf mich.
Als ich am Battle Pass ankam, waren bereits dunkle Wolken am Himmel zu sehen. Kurze Zeit später fing es dann auch an zu regnen. Ich stellte mich trotzdem an den Strassenrand, denn ich wollte so schnell wie möglich nach Encampment unter eine warme Dusche.
Der Pass wird nicht oft befahren, ein paar Autos kamen mir zwar entgegen, aber die fuhren in die falsche Richtung. Als endlich ein Auto in meine Richtung kam, streckte ich hoffnungsvoll meinen Daumen raus. Die Frau, die alleine mit Maske im Gesicht im Auto sass, hatte aber keine Lust, eine stinkende, verregnete Wanderin mitzunehmen.
Von anderen Hiker erfuhr ich, dass sie bis zu zwei Stunden hier gestanden haben, bis ein Auto vorbeifuhr. Ich stellte mich also auf eine längere Warterei ein.
Dann aber plötzlich kam ein Pickup um die Ecke und hielt vor mir an! Ein älterer Herr, welcher eigentlich in die andere Richtung wollte, hatte Mitleid mit mir und wollte mich nach Encampment bringen. Es gibt sie also auch hier in Wyoming, die Trailangels!
Schon bei der Fahrt ins Dorf fällt mir auf: Das ist eine komplett andere Welt als Colorado. Während in Colorados Touristenorten alles ein bisschen einen Schickimicki-Touch hatte, geht es hier sehr bodenständig zu und her. Es riecht nach Kuhscheisse und grilliertem T-Bone Steak.
Mein Chauffeur lud mich bei der Post ab, wo ich meine zwei Pakete abholte. Eines war mit Ersatzkleider (Socken & Co.) und eines mit Proviant gefüllt. Die Leute, alles älteren Jahrgangs, waren alle sehr gesprächig. Sie scheinen es wohl zu geniessen, für einmal ein paar neue Gesichter im Dorf zu sehen.
Mit Rucksack und den zwei Paketen machte ich mich auf zum Campingplatz. Für 15 $ inkl. Dusche kann man hier übernachten. Im Vergleich zu den Preisen in Colorado ein richtiges Schnäppchen! Hier traf ich auch Stoke wieder, welcher bereits gestern Abend im Dorf eintraf. Wir waren beide hungrig und gingen daher gleich ins Restaurant auf der anderen Seite einkehren.
Später machte ich mich wieder auf den Weg zur Post, um meine Wintersachen zu versenden. Die brauche ich die nächsten paar Meilen nicht. Da es ein Stück zu laufen war, machte ich Autostopp und das erste Auto hielt auch gleich an. Ein altes Ehepaar freute sich, mir einen Gefallen zu tun. Wir hatten ein nettes Gespräch, die Fahrt war fast zu kurz.
Am späteren Nachmittag ging ich noch kurz in den Einkaufsladen, welcher sich gleich neben dem Campingplatz befindet. Es kam mir vor, als würde ich eine Zeitreise in die Vergangenheit machen. Hier ist alles sehr Old School!






Tag 84
Als ich um 5.30 Uhr zum ersten Mal aufwachte, hörte ich dicke Tropfen auf mein Zelt plumpsen. Also beschloss ich, mich nochmals zu kehren. Eine Stunde später hörte es dann auf zu regnen und ich überwand mich, aufzustehen.
Zusammen mit Stoke stellte ich mich an die Strasse und das dritte Auto hielt bereits an, um uns zurück zum Pass zu fahren.
Als wir am Pass ankamen, regnete es wieder wie aus Kübeln. Zum Glück hatte es dort ein Plumpsklo und einen Unterstand, unter dem wir eine Weile dem Wettergeschehen zugeschaut hatten. Nachdem wir unsere Regenmontur montiert hatten, hellte sich jedoch der Himmel bereits wieder auf.
Es ging zuerst etwas durch den Schnee, danach wurde der Trail aber zum Traum. Viele Wildblumen, fast keine Steigung und teils durch üppige grüne Wälder. Die Landschaft hat sich komplett verändert. Sie erinnert mich eher wieder an New Mexico.
Am Nachmittag zogen dunkle Wolken am Himmel auf. Wir konnten gerade noch mein Zelt als Notunterkunft aufstellen, welches ohne Innenzelt schnell aufgebaut ist, da fing es an zu regnen und Blitz und Donner wechselten sich über unseren Köpfen ab. Nach einer Stunde war der Spuk vorbei und wir wanderten noch etwa 5 km.









Tag 85
Heute war Roadwalking angesagt. Etwa 30 km sind wir der Strasse entlang gelaufen. Das war nicht weiter schlimm, denn nach den schneebedeckten Pfaden Colorados war es eine nette Abwechslung, ein bisschen auf Asphalt zu wandern. Verkehr hatte es fast keinen, und wenn doch mal ein Pickup vorbeifuhr, winkten uns die Fahrer jeweils freundlich zu. Zwei Strassenbauer verwöhnten uns sogar mit eiskaltem Wasser.
Genau wie gestern braute sich auch heute Nachmittag wieder ein Gewitter zusammen. Wir schafften es gerade noch unter einen Unterstand mit Plumpsklo, bevor es zu regnen begann. Blitz und Donner blieben diesmal zum Glück aus. Da wir bereits 47 km gelaufen waren, beschlossen wir, unsere Zelte gleich hier aufzustellen. So wären wir, falls doch noch ein Gewitter kommen sollte, in der Nähe eines Unterstandes gewesen.
Und so lag ich bereits um sechs Uhr in meinem Zelt. Immer wieder regnete es und ich genoss es, in meinem warmen Schlafsack zu sein und den Tropfen, welche auf mein Zelt fielen, zuzuhören. Ich war so müde, dass ich vor dem Sonnenuntergang in den Schlaf fiel.


Tag 86
Ich hatte eine erholsame Nacht und war um fünf Uhr völlig ausgeschlafen aufgewacht. Stoke war auch schon so früh wach und so machten wir uns noch vor sechs Uhr auf.
Es waren nur noch etwa 10 km dem Highway entlang nach Rawlings. Mir fiel schon von weitem auf, dass diese Stadt wohl nicht ein besonderes Bijou ist. Aber die Leute sind auch hier nett und zuvorkommend.
Bei einem Donut-Laden machten wir halt und gönnten uns ein Frühstück. Denn nebst Donuts in allen Farben bot die ältere Frau hinter dem Tresen auch selbstgemachte Breakfast-Burritos an. Das war genau das, was wir brauchten!
Frisch gestärkt steuerten wir die Econo Lodge an. Dort soll es einen Pool und Hiker-Rabatt auf die Motel-Zimmer geben. Tatsächlich liessen die uns am Morgen um neun bereits einchecken.
Ich machte mich erstmal unter die Dusche. Die hatte ich bitternötig, denn nach ein paar Stürzen war ich irgendwie von Kopf bis Fuss voll Schlamm.
Nach dem Einkauf im Walmart gesellte ich mich am Pool zu Big Green und Heather, welche ebenfalls heute in Rawlings angekommen waren.
Auch heute Nachmittag waren wieder dunkle Wolken am Himmel zu sehen. Geregnet hat es aber woanders. War ja klar, dass es aussgerechnet heute trocken bleibt, wenn ich für einmal in einem Hotelzimmer logiere…





Schreibe einen Kommentar