Zu Fuss durch die USA

Tag 66-70: Mückenalarm!

Tag 66

Nach den Strapazen der letzten Tage ging ich es heute Morgen etwas entspannt an. Ich schlief aus bis um 7.30 Uhr, holte mir dann im Dorfladen von Twin Lakes einen Kaffee, setzte mich nach draussen in die Hikerlounge und genoss die Morgensonne. Der Sommer ist endlich auch in Colorado angekommen.

Mein Körper ist noch immer nicht zu Höchstleistungen bereit. Aber dank den sanften Aufstiegen, kam ich heute ein gutes Stück vorwärts.

Bei einer Pause brummte plötzlich eine Horde Mücken um mich herum. Ich versuchte, so viele wie möglich zu vernichten. Ein paar Opfer liess ich auch extra auf meinen Schultern kleben. Aber die fiesen Viecher kapierten mein Zeichen nicht, im Gegenteil: Sie wollten wohl alle zur Beerdigung kommen! Sobald ich in der nächsten Stadt bin, muss eine Lösung her. Entweder eine Mückennetz-Vollmontur oder ein 2-Literfass Anti-Mückenspray mit 90% DEET-Anteil! Bis dahin blieb mir nichts andere übrig als davonzulaufen.

Tag 67

Als ich am Morgen aufblickte, begrüssten mich etwa 20 Mücken am Netz meines Zeltes. Sie warteten sehnsüchtig auf mein Blut. Meine Motivation, aufzustehen, war gleich null.

Nach einer Weile konnte ich mich dennoch durchringen, mein Zelt zu verlassen. Obwohl es nicht kalt war, zog ich meine dicke Daunenjacke an, denn durch die konnten mich die Mücken nicht stechen. Da stachen sie mich halt einfach ins Gesicht. Es waren so viele, ich konnte nicht alle abwehren. Eines war klar: Ich musste so schnell wie möglich weg von hier!

Hastig und die Mücken anfluchend, was diese jedoch nicht zu stören schien, packte ich meine Sachen und verliess diese Blutsauger-Hölle. Einige verfolgten mich noch ein Stück weit, aber nach ein paar Meilen war die Luft rein – so lange ich mich bewegte. So machte ich die erste Pause erst etwa nach vier Stunden. Sobald ich mich setzte, flogen zwar wieder ein paar Mücken um mich herum, aber die erledigte ich schnell.

Der Wanderweg führte auch heute wieder überwiegend durch dichte Wälder. Ich genoss diese Abwechslung zur kargen Steinlandschaft sehr.

Nach dem Mittag, etwa eine Meile vor dem Tennessee-Pass, kam mir eine Trailrunnerin entgegen und fragte mich, ob ich den CDT wandere. Als ich dies bejahte, sagte sie: „Dann hat es unter meinem schwarzen Subaru, der da vorne auf dem Parkplatz steht, etwas für dich!“ Ich bedankte mich herzlich und war gespannt, was dort auf mich wartete.

Am Tennessee-Pass angekommen, machte ich mich auf die Suche nach dem schwarzen Subaru und wurde schnell fündig. Unter dem Auto war eine Kühlbox mit Cookies und eisgekühlten Getränken. Das war genau das, was ich brauchte!

Etwas vor dem Kokomo-Pass, auf dem noch Schnee liegen soll, fand ich einen perfekten Campingplatz. Diesmal sogar ohne Mücken!

Tag 68

In der Nacht zog ein Sturm auf, der ein wenig Regen mitbrachte. Als ich dann auf am Kokomo-Pass war, fing es an zu schneien. Das war nicht weiter schlimm, denn nicht weit von hier befand sich ein Skiresort, wo ich mich aufwärmen konnte.

Im Schickimicki-Skiresort Copper Mountain ass ich eine völlig überteuerte Pizza, die erste deftige Mahlzeit seit drei Tagen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Da ich Kräfte sparen wollte, entschied ich mich für die tiefere Route. Die wird zwar nicht oft begangen, aber nach den Strapazen der letzten Tage fand ich es eine vernünftige Idee, ein paar Höhenmeter einzusparen.

Mich erwartete eine wunderschöne Berglandschaft mit blühenden Blumen, grünen Wiesen, plätschernden Bergbächen und weissen Bergzipfel. Ich kam mir vor wie Heidi herself. Nur das Hüpfen über die Blumenwiesen wollte mit dem schweren Rucksack nicht so ganz klappen.

Nur noch ein paar Meilen trennten mich von meinem Tagesziel. Wenn das so easygoing weiter geht, mache ich vielleicht noch ein paar Meilen mehr, ging es mir durch den Kopf.

Der Heidi-Mood war dann aber schnell verflogen. Auf dem Pass holte mich wieder die Realität ein. Ein eiskalter Wind blies mich fast um, Schneefelder machten das Folgen des Weges schwierig. Beim letzten, steilen Abstieg lag plötzlich ein dichter Wald und eine Tonne Schnee vor mir. Die hübschen Plaketten, die sonst hoch an den Bäumen den Weg weisen, waren keine da. Diesen Weg nimmt wohl wirklich keiner. Denn Fussspuren suchte ich auch vergebens. Im dichten Wald sah alles gleich aus, das machte es schwierig zu navigieren. Mir blieb nichts andere übrig, als meinen Standort immer wieder übers GPS meines Handys abzugleichen. Da es mittlerweile Nachmittag um vier war, war der Schnee so weich, dass ich mit jedem Schritt knietief einsank, wenn ich Glück hatte. Wenn ich Pech hatte, sank ich hüfttief ein und wenn ich ganz viel Pech hatte verbarg sich unter dem Schnee ein Schmelzbach, in dem meine Füsse dann überraschenderweise ein Eisbad abgekriegten oder spitze Steine oder Äste, die sich gegen meine Unterschenkel schlugen.

Für die letzten drei Meilen, die normalerweise etwa eine Stunde in Anspruch nehmen, brauchte ich drei Stunden. Es war bereit dunkel, als ich ein einigermassen ebenes Plätzchen fand, wo ich erschöpft mein Zelt aufschlug. Ich kochte eine Suppe und da summte eine Mücke um mich herum. Verdammt nochmal, werde ich heute denn von nichts verschont? Immerhin war es nur eine und die war plötzlich verschwunden. Später fand ich Kleinteile davon in meiner Suppe. Immerhin ein paar extra Proteine.

Dieser Tag ist wohl einer, der ich als Lehrblätz abschreiben muss. Morgen ist ein neuer Tag.

Tag 69

Es waren nicht mehr viele Meilen bis nach Silverthorne.

Als ich in die Zivilisation kam, wurde mir bewusst, wie weitläufig es hier ist. Die Orte Breckenridge, Silverthorne, Dillon und Frisco sind zum Glück gut mit dem Bus vernetzt.

Mein Hostel, die einzig bezahlbare Unterkunft in Dillon, befindet sich in einem Wohnquartier. Der Besitzer war wohl schon etwas in einer anderen Welt als ich einchecken wollte. In seinem „Büro“ war ein riesen Puff. Egal, alles was ich in dem Moment brauchte war eine Dusche, eine Möglichkeit meine Kleider zu waschen und ein Bett.

„Heute Abend machen wir ein Barbecue! Bist du auch dabei?“ fragte mich Zach, der verpennte Hostelbesitzer. Warum nicht, essen ist immer gut, dachte ich.

Eigentlich hätte das Barbecue um 20.00 Uhr starten sollen. Zach wirrte immer wieder im Haus herum, dann war er plötzlich für ein paar Stunden verschwunden. Er musste wohl kurz seinem Drogenrausch ausschlafen. Um 23.00 Uhr war das Fleisch immer noch nicht auf dem Grill. Ich fragte scheuch nach, wann es denn Essen gibt und ob man ihn etwas unterstützen könne. „Nein nein, ich bin gleich so weit. Es tut mir leid, geht das Ganze etwas länger. Ich weiss, ihr Wanderer geht sonst immer früh schlafen.“ meinte Zach.

Je später der Abend wurde, desto zwiespältigere Leute trafen im Haus ein. Mir fiel auf, dass ich wohl der einzige „reguläre“ Gast sein muss. Alle anderen wohnten entweder temporär in diesem Haus oder kamen vorbei, um sich einen Trip zu holen. Um 00.30 Uhr, nachdem ich eine verbrannte Wurst abbekommen hatte, ging ich dann ins Bett. Die Nacht blieb zum Glück ruhig, da wohl alle so zugedröhnt waren, dass sie nicht mehr in der Lage waren, Lärm zu machen. Und das 4-er Zimmer hatte ich Gott sei Dank auch für mich alleine.

Tag 70

Eigentlich ist es gar nicht so schlimm hier, es ist günstig und die Leute machen mir ja nichts, dachte ich als ich aufgestanden bin. Als ich dann aber in die Küche kam, das Chaos der letzten Nacht sah, und der erste schon wieder am Gras baffen war, löschte es mir doch ab. Hier wollte ich keine weitere Nacht bleiben.

Ich buchte das letzte Bett im Hostel in Breckenridge, was gut mit dem Bus zu erreichen ist. Auf dem Weg machte ich einen Halt beim Walmart, um mich mit Essen für die nächste Etappe einzudecken.

Das Hostel ist in einem wunderschönen Blockhaus untergebracht. Alles war sauber und die Leute waren ansprechbar!

Breckenridge ist ein typischer Ferienort. Aber mir gefiel es hier. Zusammen mit zwei anderen Wanderer verbrachte ich den schönen, lauen Sommerabend auf der Hostel-Terrasse mit Aussicht auf die 4’000er.

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  1. Sepp Wicki

    Gruss an Mount Wilsen ,in der Nähe von Telluride. Wir waren vor ca. 25Jahren dort. Ist etwas westlich deiner Route. Ich wünsche dir viele eindrückliche Erlebnisse und robuste Füsse.
    Gruss aus Neuenkirch
    Romy und Sepp

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