Tag 62
Die letzte Nacht in Salida war nicht wirklich erholsam. Im 6er Zimmer war zwar nebst meinem nur noch ein weiteres Bett besetzt. Aber dort drin schlief ein Typ, der die ganze Nacht Bäume fällte!
Gestern Abend konnte ich eine Fahrt bei einem Trailangel klarmachen. Zusammen mit Rowman, Just Ride und Stoke fuhr ich also heute Morgen mit einem pensionierten Arzt zum Monarch Pass. Wir wollten ihm etwas fürs Benzin geben. Da meinte er: „Ich nehme kein Geld an. Ich gebe alles als Spende weiter an die Bergrettung. Die hat schon viele von euch von dort oben rausgeholt.“ Hoppla. Natürlich haben wir gerne für eine so gute Sache gespendet.
Der Trail war enorm schön. Viele Bergseen und ein unglaubliches Panorama. Auch das Wetter stimmte. Die Sonne schien den ganzen Tag und es war angenehm warm.
Ich bin den ganzen Tag mit Rowman, Just Ride und Stock gewandert und habe am Abend auch mit ihnen das Nachtlager aufgeschlagen. Nach den paar Tagen alleine wandern genoss ich es, wieder in einer Gruppe unterwegs zu sein.




Tag 63
Die Nacht war angenehm mild und keiner meiner Zeltnachbarn hat geschnarcht. Wir sind früh gestartet und gegen Mittag kamen wir an einem See vorbei, welcher mit Jeeps zugänglich war. Dementsprechend viele Leute hatte es auch. Allgemein fällt mir auf, dass es hier in Colorado viel mehr Volk auf dem Trail hat als in New Mexico. Aber wer geht schon nach New Mexico wandern…
Nach der Mittagspause ging es stetig bergauf. Schon nach einigen Höhenmeter wurde mir etwas schlecht. Ich dachte zuerst, dass das an der Anstrengung gleich nach dem Essen liegen muss. Ich sagte den anderen, sie sollen schonmal vorgehen, ich wollte es etwas gemütlicher angehen.
Auf meinem Schneckentempo-Aufstieg kam mir ein älteres Pärchen entgegen und sprach mich an. Die Frau quetschte mich aus über meine Wanderung und mein Leben in der Schweiz. „Und ihr, seit auf der Jagd?“ fragte ich den älteren Herrn und zeigte auf seine Pistole an der Hüfte. „Nein, aber man weiss nie, was da draussen herumläuft. Da ist es besser, eine Waffe bei sich zu tragen.“ meine er. Seine Frau lächelte verlegen und stellte mir weitere Fragen. Mir wurde immer schlechter, nicht nur des Gespräches wegen. Noch eine Frage und ich hätte der armen Frau mein ganzes Mittagessen auf die Schuhe gekotzt. „Ich muss jetzt gehen, sonst komme ich nie in Kanada an.“ entschuldigte ich mich und machte mich hastig hinters nächste Gebüsch.
So ging es dann den ganzen Nachmittag weiter. Ich musste mich immer wieder übergeben, dazu kamen unangenehme Magenkrämpfe und Schüttelfrost. Das konnte nicht nur am steilen Aufstieg liegen, ich hatte wohl irgendetwas aufgelesen. Vielleicht war etwas im Wasser, das ich zwar immer filtere, aber einem halt trotzdem nie eine 100% Keimfrei-Garantie gibt. Oder ich habe im Hostel einen Käfer aufgelesen.
Immer wieder musste ich Pausen einlegen. Es war weit und breit keine ebene Stelle zu finden und ein paar mal habe ich überlegt, mich einfach auf den Trail zu legen. Schliesslich kämpfte ich mich aber zum verabredeten Übernachtungsort durch, denn vorher hatte es auch kein Wasser. Ich konnte zwar im Moment nicht einmal Wasser behalten, aber irgendwann würde hoffentlich der Durst einsetzen und da ist es besser, wenn man Wasser hat.
Es war schon dunkel, als ich mein Zelt aufschlug. „You made it, Peppermint!“ flüsterte Just ride aus ihrem Zelt.




Tag 64
Ich war gestern Nacht so erschöpft, dass ich gut schlief. So entschied ich mich, mich um 6 Uhr mit den anderen aufzumachen. Ich kochte mir Ingwertee mit der Hoffnung, in behalten zu können. An Essen war noch nicht zu denken.
Der Morgen verlief einigermassen gut. Ich spürte aber, dass mein Körper schwächelte. Gegen Krämpfe trank ich ein Elektrolytegetränk. Mir wurde aber schnell bewusst, dass ich heute nicht mit den anderen mithalten kann. Heute stand die Überschreitung des Lake Ann Pass an, welcher aufgrund des vielen Schnees schwierig zu passieren sein soll. Das hätte ich mit leerem Magen wohl nicht geschafft. Also verabschiedete ich mich von der Gruppe und ging mein eigenes, sehr langsames Tempo.
Am späteren Nachmittag, in einer von vielen Pausen, versuchte ich, ein paar getrocknete Aprikosen zu essen. Es hatte funktioniert, mein Verdauungstrakt hat sie nicht gleich ausgestossen!
Auf einmal kam mir ein bärtiger Mann entgegen. Ich fragte ihn, ob er vom Lake Ann Pass komme. „Ich war dort. Aber habe dann wieder umgekehrt! Das war mir zu gefährlich. Ich gehe jetzt bis zur nächsten Strasse, hichthike nach Buena Vista und laufe dem Highway entlang nach Twins Lake.“ Ach, der machte mir ja Mut.
Als ich etwas vor dem Lake Ann Pass war, war es schon fast 16.00 Uhr. Der Schnee war wohl mittlerweile so weich, dass mir die Lawinengefahr zu gross war. Ausserdem hatte mein Magen ausser die paar Aprikosen immer noch nichts Festes im Bauch. Somit war für mich der Entschluss endgültig gefallen, es erst morgen zu versuchen, den Pass zu überqueren. Ich fand ein windgeschütztes, ebenes Plätzchen gleich vor dem Aufstieg, wo ich mein Privat-Lazarett aufbaute und mich ein bisschen erholte.




Tag 65
Um 4.25 erwachte ich, genau fünf Minuten vor dem Wecker. Was für ein Timing. Ich hatte eine erholsame Nacht und fühlte mich gut, aber der Haferbrei musste ich ein bisschen herunterwürgen, denn Appetit war immer noch keiner da.
Um 7 Uhr stand ich dann auf dem Lake Ann Pass. Beim Blick auf die Nordseite wurde mir klar: Da hat es echt viel Schnee! Ehrlich gesagt wäre mir das am Nachmittag auch nicht geheuer gewesen. Ich verstehe also den Kerl, der gestern Kehrtwendung gemacht hat. So früh morgens war aber der Schnee noch hart und ich konnte gut rückwärts hinunterklettern.
Der Weg führte dann immer weiter ins Tal, bis der nächste Pass kam, der Hope Pass. Der Aufstieg war anstrengend, aber jeder Höhenmeter hat sich gelohnt, denn die Aussicht war einfach unglaublich.
Allmählich kam mein Appetit zurück. Ich ass eine Tortilla mit etwas Guacamole und ein Stück schwarze Schokolade.
Als ich wieder im Tal war, wollte ich eine Abkürzung nach Twin Lakes nehmen. Ich folgte der Strasse, die in der Navigationsapp eingezeichnet war und welcher laut Kommentaren auch schon viele andere Wanderer gefolgt sind.
Plötzlich stand ich am Wasser. Die Strasse ging über den Fluss, aber da war keine Brücke. Normalerweise muss der Wasserstand viel niedriger sein, aber die Schneeschmelze liess den Fluss wohl einiges anschwellen. Ich suchte eine Stelle, wo der Wasserpegel am tiefsten schien und wagte es. Ich musste aber schnell merken, dass die Strömung stärker war als ich gedacht hatte und konnte mich gerade noch zurück ans Ufer retten.
Auf der Karte sah ich dann, dass zwei Meilen südlich eine Brücke sein musste. Den Umweg von über einer Stunde nahm ich gerne in Kauf.
Gegen 18.00 Uhr kam ich dann endlich in Twin Lakes an. Hier hat es ein Hotel, zwei Foodtrucks, einen Einkaufsladen und ein Restaurant. Mehr nicht. Aber der Einkaufsladen ist sehr hikerfreundlich. Der Besitzer hat draussen extra eine Ecke eingerichtet, wo man sich ein bisschen ausruhen und sein Smartphone laden kann. Das habe ich dann auch gemacht.
Im Verlauf des Abends sind noch zwei andere Wanderer in Twin Lakes angekommen. Wir haben hinter dem Gemeindehaus unsere Zelte aufgeschlagen.










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