Tag 31

Meine Blasen an den Füssen zwangen mich zu einem Pausentag. Eigentlich wollte ich erst in ein paar Tagen eine längere Pause in Santa Fe machen. Aber was solls. Je länger ich warte, desto mehr Schnee wird geschmolzen sein, bis ich ins Hochgebirge in Colorado komme, was ja auch nicht schlecht ist.

Viel gibt es in diesem Cuba nicht zu entdecken. Nach Fussbad und Wundversorgung zwang ich mich in die Schuhe und machte im Schneckentempo einen Spaziergang zum Supermarkt, um Proviant für die nächsten paar Wandertage einzukaufen.

Die restliche Zeit schlug ich mit essen, im Motel herumhängen und Podcast hören tot. Am Abend machte ich mir in der zimmereigenen Mikrowelle Popcorn und schaute einen Film auf Netflix. Da kam schon fast ein bisschen Alltagstimmung auf!

Tag 32

Mein Rucksack war gepackt, meine mittlerweile fast verheilten Blasen versorgt und ich wollte nur noch kurz Frühstücken, bevor ich wieder los wanderte. Doch bereits als ich das Motelzimmer verliess, roch ich Feuer. Ein paar Meter weiter sah ich dann auch schon dicker, dunkler Rauch und meterhohe Flammen.

Noch bevor ich genau wusste, was abging, ging ich zurück ins Motelzimmer und schnappte mir meinen Rucksack. Das Feuer war so nah, die Sache war mir nicht geheuer.

Ein Mann erklärte mir, was los war. Ein altes Haus ging in Flammen auf. Bei dieser extremen Trockenheit kann schnell ein grösserer Brand entstehen, einige Bäume brannten bereits. Und ein weiteres Problem kam dazu: Der Besitzer des Hauses ist vor kurzem gestorben und man geht davon aus, dass dort eine Menge Waffen und Munition gelagert werden. Später bestätigte sich diese Befürchtung: Immer wieder hörte man Explosionen, es tätschte wie wild. Da sind Ossis 1. August-Feuerwerkshows ein Fliegenschiss dagegen!

Dazu kam, dass der Wind genau in die Richtung des Trails wehte und am Nachmittag sollte er noch an Stärke zunehmen. Also kein guter Zeitpunkt, um meine Wanderung fortzusetzen.

Der Strom wurde im ganzen Dorf abgeschaltet und die Strassen gesperrt. Bereits von Evakuierung war die Rede. Aber geredet wird schnell viel.

Ich traf zwei andere Wanderer, die meinten, es gäbe etwas ausserhalb des Dorfes und sicher vom Feuer einen Kaffee-Truck, der wohl geöffnet hätte. Also folgte ich ihnen. Und tatsächlich: Der Truck war an ein separates Stromnetz angeschlossen und brachte so die Kaffeemaschine zum Laufen!

Die Kolonne, die aufgrund der Strassensperre entstand, wurde immer länger. Eine alte Frau, die in einem Trailer den einzigen „Beauty-Salon“ im Dorf betreibt, bot uns ein Platz im Schatten an, von welchem wir das Geschehen amüsiert beobachten konnten.

Kurz nach dem Mittag tat sich endlich was. Es wurden wieder vereinzelnd Autos in die Stadt gelassen. Ich entschied, mich wieder ins Dorf und Richtung Trail zu wagen.

Man konnte das Feuer unter Kontrolle bringen, ein grösseres Flammeninferno konnte zum Glück verhindert werden. Langsam öffneten auch wieder die Shops und Restaurants. Ein Rancher meinte, der Trail sei sicher vor dem heutigen Feuer. Aber da alles sehr trocken ist, werden sie die Wanderregion wohl bald sperren, weil die Waldbrandgefahr einfach zu hoch ist. Na dann, nichts wie weg! Da die eine Strasse immer noch gesperrt war, musste ich einen kleinen Umweg gehen, bis ich auf dem Wanderweg war.

Als ich dann etwas in der Höhe war, war die Aufregung des heutigen Tages schnell vergessen. Plätschernde Bäche, saftige Wiesen und massive Bäume prägten das Landschaftsbild. Im Gegensatz zur staubigen Kleinstadt Cuba ist das hier oben geradezu das Paradies.

Tag 33

Der Trail ist wunderschön, auch wenn er heute sehr herausfordernd war. Die Navigation ist schwierig, Markierungen sind sehr spärlich angebracht und meistens ist kein Weg ersichtlich. Dazu kamen etliche, teils tiefe Schneefelder und wo der Schnee bereits geschmolzen ist, war der Wanderweg eine grosse Pfütze. Aber immerhin musste ich mich ums Wasser keine Sorgen machen.

Um die Mittagszeit herum gönnte ich mir an einem lauschigen Plätzchen am Waldrand ein Nickerchen. Nach ca. 10 Minuten wurde ich abrupt geweckt: Vier Elche galoppierten im Vollgas-Tempo an mir vorbei. Sie waren wohl genau so geschockt wie ich, als sie mich sahen. Kurz ging mir diesen Artikel durch den Kopf, in dem stand, dass mehr Menschen von Elchen als von Grizzlys getötet werden. Aber diese Elche waren gemütlich drauf, sie waren wohl weder brünstig noch schwanger.

Tag 34

Um 4 Uhr wollte ich eigentlich loslaufen, es ist dann etwas später geworden.

Die Landschaft hat sich im Vergleich zu gestern wieder komplett verändert. Wüste ist wieder angesagt. Und ganz weit am Horizont sieht man bereits die schneebedeckten 4’000er Colorados. Die Vorfreude steigt, die Nervosität aber auch ein wenig.

Etwa 30 km standen heute auf dem Programm. Meine Blasen am rechten Fuss, welche mir vor ein paar Tagen das Wandern zur Hölle gemacht haben, sind zwar verheilt. Dafür ist jetzt der linke Fuss von Blasen übersäht. Nach 1’000 km wird es wohl wirklich Zeit für eine etwas längere Pause.

Trotzdem habe ich es am frühen Nachmittag zur Ghost Ranch geschafft. Dort traf ich noch kurz Grit, Legs und Hornsbee, welche aber schon wieder auf dem Sprung waren. Sie waren seit zwei Tagen die ersten Wanderer, die ich gesehen habe. Auch wenn ich die Zeit alleine geniesse und ab und zu auch brauche, freute ich mich sehr über das kurze Wiedersehen.

Die Ghost Ranch ist ein von der Kirche geführtes Freizeitzentrum. Man kann hier geführte Wanderungen oder Ausritte machen, diverse Kurse besuchen und in Hotelzimmer oder auf dem Campingplatz übernachten. Ich habe nur letztere Dienstleistung in Anspruch genommen. Dieser Ort scheint aber geschichtlich sehr interessant zu sein. Ich werde das Museum besuchen, wenn ich von Santa Fe zurück bin. Heute war ich einfach zu müde, um etwas anderes zu tun als essen und schlafen.