Die letzen Tage waren geprägt von unberührter Natur und Abgeschiedenheit. Internetempfang hatte ich nur einmal ganz kurz und schwach und die nächst grössere Stadt ist meilenweit entfernt.
Tag 15
Heute habe ich wieder einmal ausgeschlafen, und dann war Waschtag angesagt. Das heisse Wasser aus dem Boden kam da gerade richtig. Nach der Arbeit kam das Vergnügen: Die Hot Springs habe ich auch heute nochmals in vollen Zügen genossen.
Auf dem kleinen Campingplatz hatte es sogar Wlan. Ich versuchte, mit Tobi zu telefonieren, was trotzt der schwachen Verbindung einigermassen klappte. Auch wenn es mir sehr gut geht hier und ich mich gut eingelebt habe, ihn vermisse ich wohl am meisten von allem.
Bevor ich mit Kingo weiterzog, machte ich nochmals Halt im Shop in Doc Campbells Post. Dort gönnte ich mir eine Glace und sonst noch ein paar Extrakalorien.
Der Trail führte weiter dem Gila River entlang, durch einen Canyon. Wow, diese Landschaft ist einfach wunderschön!
Auf einmal knarrte es ganz laut. Ich dachte zuerst an Schüsse, was gar nicht so abwegig wäre, denn hier ist Jagdgebiet. Da sah ich, wie vor mir ein Baum auf den Wanderweg kippt. Der Wind war ziemlich stark, aber dass er gleich Bäume zum Umfliegen bringt, hätte ich nicht erwartet. Schwein gha!
Wenig später lagen ganz viele Bäume am Boden. Diesmal war der Biber schuld. Was für ein Massaker!
An einem ruhigen Ort mit Sicht auf den Canyon setzten wir uns zur Ruhe. Morgen wollen wir früh los, um nochmals in den heissen Quellen die Seelen baumeln zu lassen.




Tag 16
Der heutige Tag startete früh: Um 05.00 Uhr marschierten wir los. Etwa zwei Stunden später stossten wir mitten im Wald zu heissen Quellen. Es war ein herrliches Gefühl, die von den Flussüerquerungen ausgekühlten Füssen ins warme Wasser zu strecken. Die warme Quelle verliess ich erst wieder als die Sonne den Canyon erreichte, also etwas vor dem Mittag und kurz bevor mir Schwimmhäute gewachsen sind. Zum Glück gibts nicht auf der ganzen Strecke heisse Quellen, sonst würde ich wohl nie in Kanada ankommen.
Die vielen Flussüberquerungen sind nicht ganz ohne: Die Haut meiner Unterschenkel ist völlig ausgelaugt und brennt. Und am Abend ist nicht nur der Körper müde, sondern auch der Kopf. Obwohl der Fluss meistens nicht tief ist, muss man sich konzentrieren, dass man nicht ausrutscht. Ich möchte nicht samt Rucksack im Wasser landen. Wer weiss, ob ich je wieder aufstehen könnte mit diesem Gewicht am Rücken.



Tag 17
Es war wieder eine eiskalte Nacht. Die Socken und Schuhe waren pickelhart gefroren. Kein Wunder, sie waren ja auch klitschnass als ich sie auszog. Erst nach der ersten Flussüberquerung konnte ich richtig in meine Schuhe schlüpfen.
Gegen Mittag öffnete sich der Canyon und plötzlich war da diese unendliche Weite. Wir befinden uns nun auf einem Hochplateau auf 2’500m und in der totalen Wildnis. Selbst für meine amerikanischen Wandergspändli ist es ungewöhnlich abgeschieden hier. Die nächst grössere Stadt ist etwa 6 Autostunden entfernt.
Der von allen prophezeite Hikerhunger ist nun auch bei mir eingetroffen. Mein Hungergefühl ist ins unermessliche gestiegen, das Essen muss ich mittlerweile rationalisieren.




Tag 18 + 19
„Gopf, Hueresiech. Scheisse!“ fluchte es plötzlich mit leicht amerikanischem Touch hinter mir. Ich drehte mich verdutzt um, da schaute mich Kingo hoffnungsvoll an: „Und, wird mein Schweizerdeutsch langsam besser? Ich repetiere gerade die Wörter, die du mir gestern beigebracht hast!“ Es wurde Zeit, ihm nicht nur im Fluchen zu unterrichten … Seither höre ich nach jeder Pause: „Bisch parat?“
Fast 50 km und mehrere hundert Höhenmeter sind wir die letzten zwei Tage gewandert. Nachdem ich meinen Mordshunger gestillt hatte, fiel ich jeweils todmüde in meinen Schlafsack.


Tag 20
Wie die letzten zwei Tage, ging auch heute wieder um 4.00 Uhr der Wecker los. Ich fühlte mich müde und ausgelaugt. Die ersten Meilen waren hart, meine Füsse und Beine schmerzten, der Körper wehrte sich mit allen Mitteln gegen die Belastung.
Nach ein paar Stunden wurden die Schmerzen weniger. Etwa 6 Stunden lang ging es auf Schotterstrasse nach Pie Town.
Als wir endlich im kleinen Ort angekommen sind, steuerten wir gleich das Dorfcafé an. „Wir haben geschlossen“, rief eine alte Frau aus dem Fenster. Wir hatten uns schon umgekehrt, da kam ein alter Mann auf uns zu: „Ich habe da etwas für euch!“ Er hat uns 8! ganze Pies eingepackt. Die seien von gestern, aber immer noch gut. Wir sollen die ins Toaster House nehmen und mit den anderen Wanderer teilen. Das liessen wir uns nicht zweimal sagen.
Das Toaster House ist DER legendäre Hikertreffpunkt. Trailangels stellen das ganze Haus für Wanderer zu Verfügung. Gegen eine freiwillige Spende können Küche, Bad, Wohn- und Schlafbereich benutzt werden. Ausserdem stapeln hier Pakete, welche sich Wanderer selber hierher geschickt haben. Auch auf mich warteten zwei Päckli: Eins mit Esswaren und eins mit meinen Wanderstöcken, die ich in Silver City liegen gelassen habe.
Hier ist wohl auch ein bisschen der Treffpunkt der Dorfbevölkerung. Ein paar mal sind Leute auf einen Schwatz vorbeigekommen und haben uns gefragt, ob sie uns irgendwie behilflich sein könnten. Die meisten Einwohner Pie Towns sind über 60ig und sie scheinen den Austausch mit uns zu geniessen.
Nach einer Dusche (die erste seit acht Tagen) gönnte ich mir auch noch gleich ein Fussbad. Die Füsse waren danach zwar immer noch nicht ganz sauber aber es hat gut getan. Nach einem grossen Stück Apple Pie legte ich mich in ein freies Bett und holte den dringend benötigten Schlaf nach.




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