Tag 125
Noch ca. 330 km bis zur Kanadischen Grenze. Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Mir ist die Lust am Wandern zwar noch nicht vergangen, aber langsam ich bin auch froh, wenn ich dann mal am Ziel ankomme.
Bevor wir den Glacier National Park erreichen, von dem alle in den höchsten Tönen schwärmen, mussten wir zuerst durch die Bob Marshall Wilderness. Dort werden die „Problembären“ aus den ganzen USA ausgesetzt. Als Problembären gelten die Tiere, die sich in der Vergangenheit gegenüber Menschen auffällig verhalten hatten. Nicht gerade eine Tatsache, die beruhigt. Aber wir befinden uns nun schon eine Weile im Grizzlyland und es ist noch nie etwas passiert.
Frank hat uns heute Morgen von Augusta zum Trail gefahren. Da es hier in einigen Teilen verboten ist zu campen, legten wir heute nur knapp 30 km zurück. Wir bauten unsere Zelte in der Nähe eines Wasserfalls auf. Nach dem Wandern noch kurz ins kalte Wasser springen und dann sich in warmen Kleider im Zelt einnisten… Wellness par excellence!


Tag 126
Zum Glück säuberte eine Trail-Crew vor einigen Wochen den Trail vor umgestürzten Bäumen. So fiel das Wandern durch die wunderschöne Gegend einfach. Das erste Highlight wartete bereits am Morgen auf uns: Die Chinese Wall. Nein, nicht die Chinesische Mauer in China, sondern eine knapp 100 km lange, sehr massive Felswand.
Als wir den letzten Aufstieg des Tages in Angriff nahmen, begrüsste uns ein Schwarzbär auf dem Trail. Er schaute uns eine Weile verdattert an (wobei ich mir nicht sicher bin, ob wir noch verdatterten dreinschauten), und verschwand anschliessend im dichten Wald.





Tag 127
Bereits nach dem Mittag zogen Wolken auf. Die wurden dann immer dunkler und am späten Nachmittag fing es an zu regnen wie aus Kübeln. Wenig später gesellten sich auch Blitz und Donner dazu.
Kurz bevor wir unsere Zelte aufstellten, hellte der Himmel etwas auf und der Regen hörte auf. Aber nass war halt trotzdem alles. Ein wenig unterkühlt nistete ich mich im Zelt ein und versuchte mich, etwas aufzuwärmen, was mir nur halbwegs gelang. Nach einer Weile Zittern vor Kälte schlief ich schliesslich ein.
Tag 128
Die Kleider waren heute Morgen immer noch nass vom gestrigen Regen. Das machte den Tagesstart nicht gerade angenehm, aber immerhin hatten wir einen easy Tag vor uns: Nur knapp 30 km und fast keine Höhenmeter.
Bei einer ausgedehnten Znünipause trockneten wir all unsere nassen Sachen. Der Weg führte uns dann mehrheitlich dem Fluss entlang und ein paar mal bekamen wir bei Flussüberquerungen nasse Füsse. Das machte mir aber gar nichts aus, denn es war heiss heute.
Nach der Mittagspause vereinbarten Stoke und ich einen Ort, wo wir campen wollten und dann liefen wir jeweils unser Tempo.
Kurz vor dem Tagesziel hielt ich nochmals an und ass etwas, da man im Camp ja eigentlich nicht essen sollte, wegen den Bären. Eine Frau mittleren Alters gesellte sich zu mir.
Robin erzählte mir, dass sie Rangerin in der Bob Marshall Wilderness sei, heute aber privat eine Wanderung unternähme. Nach einem langen, unterhaltsamen in Gespräch sagte sie: „Ich möchte dich und dein Wanderkollege gerne zum Essen einladen!“ Auch wenn ich gerade etwas gegessen hatte, Hunger hat man auf dem Trail immer. Aber mich einladen zu lassen, ist eigentlich nicht so mein Ding. „Das können wir ja dann noch verhandeln!“, meinte Robin.
Da wir ganz in der Nähe ihres Autos campen wollten, bot sie uns an, uns nach East Glacier Park Village zu fahren. Robin und ich wanderten also noch ca. 2 km gemeinsam weiter, wo Stoke auch schon einen Zeltplatz gefunden hatte. Dann gingen wir alle zusammen zu Robins Auto und fuhren ins Dorf. Das wird unser morgiges Ziel sein. Robin gab uns schonmal einen Überblick über das beschauliche Indianerreservat.
Als wir im Restaurant am Tisch sassen, meinte Robin: „Bestellt euch alles, was ihr wollt, ihr habt bestimmt Hunger! Das geht alles auf mich!“ Zögerlich bestellte ich einen Taco Salat. Als es ums Bezahlen ging, liess uns Robin keine Möglichkeit, unsere Rechnung selber zu begleichen.
Nach dem Essen fuhr uns Robin wieder zur Strasse zurück, wo wir nur noch einen Katzensprung von unseren Zelten entfernt waren. Wir bedankten uns ganz herzlich für das Essen und den wunderbaren Abend und verabschiedeten uns.



Tag 129
Es war eine kurze und einfache Strecke nach East Glacier Park Village. Als wir im Dorf, welches uns dank des Abends vorher ja nicht mehr ganz unbekannt war, erreichten, steuerten wir gleich das Hostel an. Dort wurden wir sehr herzlich empfangen.
Ich gönnte mir erstmal eine Dusche und kaufte dann im völlig überteuerten Supermarkt Proviant für die letzten Wandertage ein. Die paar Packungen Kartoffelbrei, Instant-Suppen und Nüsse trieben mich fast in den Ruin!
Gegen Abend tauchte wie aus dem Nichts ein Mann im Hostel auf, der sich als „Walter“ vorstellte. Er sah aber nicht aus wie ein typischer Walter… Er ist Südkoreaner, arbeitet in Seattle als Sushi-Koch und wollte sich nur kurz noch etwas kochen, bevor er die lange Zugreise nach Seattle antrat. Wir packten gerade unser Essen für die nächsten Tage ein, da traf ihn fast den Schlag, als er sah, dass unsere Nachtessen fast ausschliesslich aus Instant-Ramensuppen bestehen. „Ich mache euch eine echte Ramensuppe!“ 20 Minuten später sassen wir mit ihm an einem Tisch uns assen eine echte, südkoreanische Ramensuppe. Ich muss zugeben, die Suppe war tatsächlich um einiges besser als das Tütengeschlabber, von welchem ich mich die letzten paar Monate ernährt hatte.


Tag 130
Damit wir im Glacier National Park campen dürfen, braucht es für jede Nacht eine Bewilligung. Ein Gast des Hostels bot uns freundlicherweise an, uns am frühen Morgen nach Two Medicine zur Ranger Station zu fahren.
Unser Chauffeur, ein Blackfeet Indianer, ist hier aufgewachsen und konnte uns auf der Fahrt viele sehr spannende, leider aber auch viele traurige Geschichten über die Region und seinen Stamm erzählen.
Als wir in der Ranger Station ankamen, mussten wir uns zuerst ein Video anschauen. Dort wurde uns ausführlich erklärt, wie man sich bei verschiedenen Wettersituationen verhalten muss, wie man das stille Örtchen aufsuchen sollte und was man machen muss, wenn einem ein Bär begegnet. Nach über 4 Monaten Wandern in der Wildniss nicht so viel Neues für uns. Der Ranger stellte uns ein paar Fragen zum Video und stellte uns dann die Permits aus. Canada, here we come! Nur noch drei Tagesetappen trennen uns also von der Kanadischen Grenze.
Nach einem kleinen Freudentänzchen wanderten wir ca. 18 km zurück nach East Glacier Village. Auf der Strecke bekamen wir schonmal einen kurzen Eindruck, was uns die nächsten (und letzten) drei Tage erwarten wird: Eine überwältigende Landschaft mit markanten Bergformationen, wunderschönen Tälern und kristallklaren Seen.


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