Tag 107
Tag zwei in Bozeman: Unsere Frühstückstradition an Pausentagen haben wir auch heute weitergeführt. Wir kochten Rührei und Speck und machten es uns in Annes Garten gemütlich.
Danach mussten neue Schuhe her. Bereits fünf Paar bin ich seit Anfang April durchgelaufen. Bei ca. 130 Dollar pro Paar Schuh eine grosse, aber wichtige Investition. Denn meine Füsse fangen jeweils an zu schmerzen, wenn die Sole platt ist.
Ich schlenderte durch Bozemans Downtown und gleich im ersten Sportgeschäft fand ich meine geliebten Brooks Cascadia. Neue Schuhe: Check!
Gegen Abend nahm uns Anne mit an die Fairgrounds. Das ist eine Art Bea auf Amerikanisch. Von Matratze, über Küchengerät bis zum Traktor wird dort alles verkauft, was das Herz eines Montananers begehrt. Bei den Foodständen verweilten wir etwas länger und dann war Action angesagt: In der grossen Arena schauten wir uns Rodeo und andere kuriose Wild West Disziplinen an. Da mussten zum Beispiel Rinder und Pferde inert einer bestimmten Zeit eingetrieben und in den Anhänger gebracht werden. Das war amüsant, denn nicht immer machten die Tiere das, was die Cowgirls und -boys wollten.







Tag 108
Nach der Chlibi gestern gings heute Morgen früh los. Anne brachte uns um 06.00 Uhr zum Bus, der uns nach Big Sky zurück zum Trail brachte.
Es hatte sich schon länger abgezeichnet, dass wir, in dieser Konstellation wie wir die letzten zwei Wochen gewandert sind, wohl nicht ewigs zusammen bleiben werden. Während Stuck gerne alles bis ins Detail plant und eher ein bisschen, sagen wir mal ein Jufli ist, nehmen Stoke und ich gerne jeder Tag, wie er kommt und bleiben nach 40 km wandern auch gerne mal etwas länger sitzen beim Nachtessen. Und so kam es, dass sich unsere Wege trennten und Stuck alleine loswanderte.
Kurz nachdem Stoke und ich loszogen sind, beklagte sich Stoke über Rückenschmerzen. „Würde es dir etwas ausmachen, zurück nach Bozeman zu gehen und noch einen Pausentag einzulegen? Ich möchte gerne abklären lassen, was mit meinem Rücken los ist, bevor wir wieder mitten in der Pampa sind.“ Das kam mir sehr gelegen. Es ist Monate her, seit ich meinen Füssen mehr als einen Tag Pause gönnte.
So machten wir uns wieder auf den Weg zur Bushaltestelle und nahmen den nächsten Bus zurück nach Bozeman.
Als wir in Bozeman angekommen waren, haben wir im Hostel eingecheckt. Stoke ging noch am Abend ins Spital, der Arzt wollte aber am nächsten Tag ein Röntgenbild von seinem Rücken machen.
Tag 109
Stoke bekam gleich am Morgen einen Termin für einen Ultraschall und der Bericht fiel positiv aus. Die Ärzte meinten, es sei nichts Besorgniserregendes, sein Rücken sei lediglich überlastet und er solle ein bisschen Pause machen. Apropos Verletzung & so: Rowman, der vor einer Weile von einem Baum gestürzt ist, hat tatsächlich einen Bruch im Fuss. Er hofft, dass er Mitte September den Trail zu Ende laufen kann. Und ich möchte an dieser Stelle noch erwähnen, dass ich ihn nicht einfach alleine zurücklassen wollte. Ich hatte ihm mehrmals angeboten, mit ihm zur nächsten Strasse zurückzugehen und ihm den Rucksack zutragen. Er wollte ums Verrecken alleine zurück. Dies nur noch zur Klarstellung für diejenigen, die sich gewundert haben, ob ich meine Mitwanderer als Bärenfutter zurücklasse. 😉
Und so legten wir einen weiteren Pausentag in Bozeman ein. Wir gingen unter anderem ins Kino und schauten uns Top Gun an.
Diesmal konnten wir bei Charlie, einem Bekannten von Stoke, übernachten. Er meinte, seine Altbauwohnung sei seit sein WG-Kolleg ausgezogen ist eh etwas leer, und er freute sich über Gesellschaft.
Tag 110
Auch heute gingen wir es gemütlich an. Nach dem Frühstück besuchten wir das Museum of the Rockies. Dort wurde eindrücklich über die Geschichte von Montana und die Rockie Mountains aufgeklärt.
Am Abend hat uns Tommy zu sich zum Nachtessen eingeladen. Es gab leckere, selbstgemachte Burger. Wir durften eine weitere Nacht bei Charlie bleiben.
Tag 111
Es wurde Zeit für einen zweiten Wander-Versuch. Charlie hat uns vor seiner Arbeit zum Busstopp gebracht. In Big Sky angekommen, gönnten wir uns einen Kaffee und genossen ihn in der Morgensonne.
Der Trail hatte viele Höhenmeter für uns bereit, aber die Landschaft war wunderschön. Stokes Rückenschmerzen sind zum Glück weg. Dafür plagten mich plötzlich Knieschmerzen. Die Schmerzen sind mir altbekannt, aber meistens hatte ich sie nach dem Joggen. Ich bin aber zuversichtlich, dass mein Knie auch die letzten 800 km noch durchsteht.


Tag 112
Es war heiss heute. Zum Glück hatte es aber viele Flüsse am Trail, denn ich habe bestimmt 7 Liter Wasser getrunken. Wir sind fast 50 km gewandert, bis wir endlich nicht mehr auf Privatland waren und legal zelten konnten. Auf Privatgrundstück zu campen ist nämlich keine gute Idee, denn hier hat jeder eine Waffe.
Wir fanden einen wunderschönen Platz nahe am Bach. Und das Beste daran: Es hatte keine Mücken! Daher entschied ich mich wieder einmal fürs Cowboy Camping und konnte vor dem Einschlafen den Sternenhimmel beobachten.



Tag 113
Heute haben wir viele CDT-Hikers getroffen, die südwärts wandern. Fast alle machten Halt in Whitefalls, wo im Gemeindehaus gratis übernachtet werden kann und sogar Duschen und eine Waschmaschine zur Verfügung steht. Gratis Übernachtung, Dusche UND Wäschewaschen? Das muss man einem CDT-Hiker nicht zweimal sagen! Wir werden es wohl ihnen gleichtun.
Meine Knieschmerzen sind übrigens verschwunden! Es war wohl die lange Pause, die meinem Knie nicht gut getan hat.
Am Abend zog ein Gewitter auf. Gerade als ich fertig war, das Essen in den Baum zu hängen, fing es an zu regnen wie aus Kübeln.



Tag 114
Bis nach Whitehall waren zwei Pässe zu überwinden, danach gings ca. 20 km bei 35 Grad der Strasse entlang. Ein paar Autos hielten an und fragten uns, ob sie und ins Dorf fahren sollen. Die Versuchung war gross, aber wir konnten widerstehen, schliesslich hatten wir ja nichts anderes zu tun als laufen…
Als wir endlich Whitehall erreichten, steuerten wir direkt die Tankstelle an, um uns kalte Getränke zu holen. Ich merkte erst jetzt, dass ich wohl etwas dehydriert war, ich trank über 1.5 Liter auf einmal. Dann fragten wir im Dorf um nach der Gemeindepräsidentin. Ein Mann gab uns die Nummer von Mary. Als wir dort anriefen, kam die Mailbox. Kein Wunder, dachte ich mir, es ist schliesslich auch Samstag, da hat die arme Frau wohl Besseres zu tun, als Wanderer zu beherbergen.
Wir machten uns trotzdem mal auf den Weg Richtung Gemeindeverwaltung, und als wir dort ankamen, ruf Mary auch schon zurück. Fünf Minuten später stand die ältere, sehr sympathische Frau vor uns. Sie zeigte uns die Duschen, die Waschmaschine und führte uns zur kleinen Küche wo wir morgens Kaffee machen können. Sogar Handtücher und Shampoo legte sie für uns bereit. Auf einem Teppich, zwischen Jahresabschluss, Gemeindebudget und Ordner voller Reklamationsschreiben der Bürger, konnten wir unseren Schlafplatz einrichten.
Als wir geduscht und unsere stinkenden Kleider gewaschen haben, gingen wir mit Marys Velo einkaufen. Wir genossen die kurze Pause sehr und waren unendlich dankbar für das grossartige Angebot der Gemeindepräsidentin. Liebe Amerikaner*innen, please: Mary for President!





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