Nach dem Plöischlitag in Jackson galt es nun wieder ernst: 320 km gab es in den letzten sieben Tagen zu bewältigen. Wir wanderten quer durch den Yellowstone Nationalpark. Mit diesem Ort verbinde ich besonders schöne Erinnerungen: Vor ziemlich genau 10 Jahren habe ich mich hier in Tobi verliebt. Damals bin ich als naives, junges Ding alleine nach Kanada gereist, um mit ihm, einem bis dahin flüchtigen Bekannten, einen abenteuerlichen Roadtrip durch Nordamerika zu machen. Die Liebe zu Tobi und die Faszination für Amerikas unendliche Wildnis sind bis heute kein bisschen weniger geworden. 🙂
Tag 100
Nach einem schnellen Frühstück hat uns Sam zum Trail gefahren.
Wenn wir von Anfang dem Wanderweg gefolgt wären, hätten wir einen ziemlich tiefen Fluss überqueren müssen. Deshalb wählten wir den Highway, denn so konnten wir das Gewässer bequem über eine Brücke überqueren. Das bizarre am Ganzen: Am Rande des Highways standen überall Leuchttafeln mit dem Hinweis, man soll das Auto nicht verlassen wegen der Gefahr von Bären. Da kommt man sich leicht dumm vor, wenn man drei Stunden lang der Strasse entlang läuft. Ein Rancher meinte dann aber, das sei schon ok, wir hätten ja Bärenspray dabei. Ein mulmiges Gefühl blieb trotzdem, auch mit dem Wissen, dass es abseits vom Highway bestimmt noch mehr Bären gibt.
Es war sehr warm und die vielen Moskitos machten uns etwas zu schaffen. Kurz vor dem Yellowstone Nationalpark stellten wir dann unsere Zelte auf.




Tag 101
Nachdem wir gestern einen Umweg machen konnten, um den Fluss über eine Brücke zu überqueren, blieben unsere Füsse heute nicht trocken: Denn bei der grossen Flut vor ein paar Wochen wurde die Brücke über den Yellowstone River weggespült.
Für mich als nicht so gross gewachsenes Persönli sind solche Flussüberquerungen immer ein bisschen ein Stressfaktor. So ging Stuck voran, um zu schauen, wo der Fluss am besten zu überqueren ist. Beim ersten Versuch ragte ihm mit seinen über 1.80 m das Wasser bis zur Hüfte. Dazu kam, dass die Strömung ziemlich heftig war. „Wir müssen eine andere Lösung finden, dich wird es hier wegspülen.“, meinte Stoke, welcher zusammen mit mir das Ganze mit etwas Sorge beobachtete. Seiner Meinung war ich definitiv auch. Wir suchten eine etwas weniger tiefe Stelle, und Stoke ging voraus. Stuck kam mittlerweile wieder auf meine Uferseite zurück (manche lieben den Kick wohl einfach). Er nahm mir meinen Rucksack ab, damit ich ohne Zusatzgewicht den Fluss überqueren konnte. Das Wasser reichte mir teilweise bis zum Bauch und die Strömung war sehr stark. Ein paar mal verlor ich fast den Boden unter den Füssen. Doch Stoke, welcher mir vom anderen Ufer aus gut zuredete, war mir eine gute Hilfe und so schaffte ich es doch noch ans Ufer.
Die Moskitos waren auch heute wieder extrem. Zum Glück habe ich in Jackson ein Mückennetz für den Kopf gekauft. Aber die Viecher finden immer einen Weg einem zu stechen, sei es durch die Regenjacke durch.
Am Nachmittag haben wir den ersten Weisskopfseeadler gesehen. Wow, was für ein majestätischer Vogel!



Tag 102
Heute Morgen nach ein paar Meilen meinte Stoke erschrocken zu mir: „Peppermint, da ist etwas braunes, ist das ein Bär?“ Er zeigte auf die Wiese hinaus. Da war tatsächlich etwas flauschiges, braunes. „Wenn das ein Bär ist, wäre es ein riesiger!“stellte ich fest. Als wir etwas näher kamen, erkannten wir das pelzige Geschöpf: Es war ein Bison. Wenig später entdeckten wir noch weitere. Sie grasten friedlich auf der Wiese und badeten ab und zu im Sand. Ich hätte ihnen stundenlang zusehen können.




Tag 103
Letzte Nacht war sternenklar. Dementsprechend kalt war es auch: Meine Schuhe waren ein bisschen gefroren.
Wir sind an einigen Mini-Geysiren vorbeigekommen. Es ist beeindruckend, wie viel Power hier unter der Erde steckt.
Gegen Mittag sind wir dann in Canyon Village angekommen. Nach fast vier Tagen Einsamkeit trafen wir hier auf das pure Gegenteil: Ramba Zamba war angesagt.
Wir gönnten uns einen völlig überteuerten Burger, kauften ein, trockneten unsere Sachen und verliessen den Trubel wieder.
Trotzt diesem Zwischenstopp schafften wir 45 km und trafen gegen Abend an einem wunderschönen Campingspot direkt am See ein.
Nachdem wir unsere Zelte aufgestellt und Rucksäcke bärensicher in die Höhe gehängt hatten, sprangen wir in den See. Das Bad tat unglaublich gut. Das kalte, erfrischende Wasser und die wärmende Abendsonne ergaben den perfekten Wellness-Mix. Und dank einer leichten Brise haben sich auch die Mücken verzogen. Nach dem Bad fühlte ich mich wie neu geboren.




Tag 104
Einen Teil unserer heutigen geplanten Wanderroute war wegen „Bärenaktivität“ gesperrt. So mussten wir den grössten Teil der Strasse entlang laufen. Im Moment herrscht Hochsaison im Yellowstone Nationalpark und dementsprechend viel Volk hatte es auf der Strasse. Die meisten Autofahrer kreuzten uns zum Glück mit Abstand.
Am Nachmittag habe ich den ersten Bären gesehen. Ein kleiner Schwarzbär liess sich vom Touristenrummel nicht einschüchtern und spazierte entspannt einem See entlang.

Tag 105
Heute wanderten wir die letzten Meilen durch Wyoming. Erst als wir die Grenze zu Montana überschritten hatten, realisierte ich richtig, dass ich nun im letzten Bundesstaat auf meinem Wanderabenteuer bin. Die letzten paar Wochen haben wir extrem viele Meilen zurückgelegt und wenn wir in dem Tempo weiterwandern, werden wir in einem Monat bereits die Grenze zu Kanada erreichen.
Es wird also Zeit, den Trail noch richtig zu geniessen. Und das ist hier definitiv nicht schwierig: Montana begrüsste uns mit bunten Blumenfelder und wunderschöner Berglandschaft.



Tag 106
Wir alle freuten uns auf richtiges Essen und eine Dusche. Deshalb machten wir uns heute bereits um 05.30 Uhr auf und noch vor dem Mittag erreichten wir eine Tankstelle im Vorort von Big Sky. Dort wartete auch schon Sammy, eine Skitourenkollegin von Stoke, auf uns. Stoke hat zwei Saisons als Skilehrer in Big Sky verbracht. So können wir auch hier die Gastfreundschaft von Freunden geniessen.
Nachdem wir uns mit Sandwiches eingedeckt hatten (die besten, die ich je in einem Tankstellenshop gekauft habe), fuhr uns Sammy zu ihrem Haus. Dort konnten wir duschen, unsere Wäsche waschen und ein bisschen im wunderschönen Haus relaxen.
Nach dem Mittag liefen wir unsere letzten paar Meilen für diesen Tag nach Big Sky. Dort holte uns Tommy, ein weiterer Bekannte von Stoke, ab. Wir fuhren nach Bozeman und machten auf dem Weg Halt bei einem Supermarkt. Resupply für die nächsten Wandertage konnten wir also auch schon abhaken.
Nach dem Einkaufen brachte uns Tommy zu Annes Wohnung, wo wir die nächsten zwei Nächte übernachten dürfen. Es war ein herzliches Wiedersehen. Anne lernte ich bereits letztes Wochenende kennen, denn sie ist eine gemeinsame Freundin von Stoke und Sam.
Nachdem wir unsere Einkäufe sortiert hatten, kam auch schon wieder Hunger auf. Bei den Foodtrucks, ein paar Blocks von der Wohnung entfernt, schlugen wir uns den Bauch mit Tacos voll. Später gab uns Anne noch eine kurze Stadtführung durch das hübsche Bozeman.






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