Tag 41
Heute genoss ich noch einmal einen gemütlichen Tag, bevor ich mich dann ins Hochgebirge begebe.
Mittlerweile sind noch mehr Hiker im Dorf angekommen. DER Treffpunkt ist „The Chama Hotel & Shops“, wo auch ich die letzte Nacht verbrachte. Auch wenn ich um 11 Uhr ausgecheckt habe, durfte ich mit gutem Gewissen noch ein bisschen auf der Veranda verweilen, meinte die Besitzerin. Das liess ich mir nicht zweimal sagen.
Es war schön, wieder mit Gleichgesinnten Zeit zu verbringen. Die zwei grossen Themen waren vor allem: Welche Route: Highroute oder alternative Route? Welches Material: Microspikes oder Steigeisen? Ich spürte heraus, dass die Highroute vielen etwas Bauchschmerzen bereitet. Es liegt immer noch vielerorts Schnee und die Höhe von teils über 4’000 m ü. M. ist auch nicht zu unterschätzen.
Ich bin froh, kann ich mich für diesen Abschnitt wieder Leuten anschliessen, die mehr Erfahrung haben als ich. Kingo zum Beispiel kennt das Gebiet und hat sogar schon Touren hier geleitet. Deshalb habe ich mich entschlossen, die Highroute zu wagen.
Gegen Abend hitchhikten wir auf den Cumbres Pass, wo der Trail wieder startet. Ein Kartoffelbauer war so nett und hat uns aufgeladen. Er musste zuerst die Sitze freimachen, denn die waren voll mit Kartoffeln, welche er zur Prüfstelle bringen musste. Es war eine interessante Fahrt, ich weiss jetzt alles über Kartoffeln und deren Anbau in den USA.
Gerade noch bevor es dunkel wurde, habe ich mein Cowboycamp aufgeschlagen. Ich wollte noch mal unter dem freien Himmel schlafen, denn die nächsten Nächte werden wohl wieder kälter und windiger, sodass wieder Zelten angesagt ist.
Tag 42
In Slow-Motion-Tempo haben wir die ersten Meilen gemacht. Ich hatte etwas Mühe: Schwindel und Kopfschmerzen begleiteten mich fast den ganzen Tag. Es braucht wohl etwas Zeit, bis sich mein Körper an die Höhe gewöhnt hat.
Auffallend hier sind die riesigen Waldgebiete, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind. Das sieht einerseits deprimierend aus, anderseits steigt dadurch auch die Waldbrandgefahr.
Nach vielen toten Bäumen sind wir auf erste Schneefelder gestossen. Da ist uns ein Paar aus England entgegengekommen. Es sei ihnen zu gefährlich hier, mit der Ausrüstung, die sie dabei hätten, sei das Passieren der Schneefelder unmöglich. Die Ära erfolgreicher britischen Bergsteiger ist wohl vorbei… Es war zwar anstrengend, aber kein Ding der Unmöglichkeit, die Schneefelder zu durchwandwandern.
Mehr als der Schnee machte mir der Wind zu schaffen. Teils fegten extreme Böen. Und das die ganze Nacht durch. Ich habe fast die ganze Zeit wachgelegen und habe mich ein paar mal samt Zelt davonfliegen sehen. Dieser Fall ist aber zum Glück nicht eingetreten. Aber meine geliebten Birkenstöcke, welche ich über Nacht vor dem Zelt deponiert hatte, sind leider wirklich davongeflogen. Wer weiss, vielleicht treffe ich sie in Kanada wieder.




Tag 43
Auch am Morgen fegte noch heftiger Wind. Erst als wir ein bisschen abstiegen, liess er nach und es wurde wieder angenehm warm.
Am Nachmittag verschwand die Sonne wieder und der Wind kam zurück. Es waren sehr harte Bedingungen und mein Hirn fror fast ein. Immerhin konnte ich so nicht zu sehr überlegen, weshalb ich mir das ganze antue.
Es war schwierig, ein einigermassen windgeschützten Platz zum Übernachten zu finden. So war es bereits dunkel, als wir unser Nachtlager aufgestellt haben. In der Nacht wurden die Windböen stärker und auf einmal fing es an zu Schneien. Es schneite fast die ganze Nacht durch.




Tag 44
Der Blick nach draussen machte das Aufstehen nicht gerade leicht. Die Versuchung, den ganzen Tag im warmen Schlafsack zu verbringen, war sehr gross.
Als ich mich aber raustraute, war der Spass gross. Ich genoss das Winterwunderland. Wie schön wäre es gewesen, wenn ich meine Tourenski dabei gehabt hätte!
Tag 45
Der heutige Tag war taff. Es hatte ein paar Stellen dabei, die so steil und vereist waren, dass ich weder runter, nach oben, nach hinten noch nach vorne schauen konnte. Stattdessen nahm ich einfach Schritt für Schritt. Vor mir haben dies schon einige gemacht, nur hatten die irgendwie alle grössere Schritte gemacht als ich. So musste ich teils Zwischenschritte nehmen, was bei dem vereisten Schnee nicht immer einfach war. Mein Skitourengpändli Matze hätte dazu gesagt: Das isch äbe Rock’n’Roll Alpinismus! Hier wäre jetzt wohl eine Eisaxt hilfreich gewesen. Mit den Wanderstöcken hätte ich mich im Notfall aber auch etwas abbremsen können. Mein Mantra: Halt einfach nicht hinfallen!
Als ich kurz Internetverbindung hatte, kam eine Nachricht von Grit rein, welche ich seit meiner kleinen Wanderauszeit nicht mehr gesehen habe: „Wo bist du? Wir haben gehört, dass du während diesem Schneesturm unterwegs bist. Wir sind in Pagosa Springs und haben ein Bett frei für dich!“ Ach wie gerne hätte ich dieses Angebot angenommen. Leider lagen aber noch zwei Tageswanderungen bis nach Pagosa Springs vor mir.
In dieser hat Nacht es nochmals geschneit, und zwar noch mehr als vor zwei Tagen. Kingo hat mich in seinem Zelt schlafen lassen, meines hätte die Nacht wohl nicht überlebt. Denn selbst das sehr stabile Zpacks-Zelt ist mitten in der Nacht unter der Schneemasse eingebrochen. Ich dachte lange, mein kleines Ein-Personen-Zelt genüge für den CDT. Nach den letzten Nächten habe ich mich entschieden, doch ein neues, stabileres Zelt mit etwas mehr Komfort zu gönnen. Es wird (hoffentlich) auf der Poststelle in Silverton auf mich warten.






Tag 46
Nur noch 11 Meilen bis zum Wolf Creek Pass! Der Tag startete mit strahlendem Sonnenschein. Als wir durch die weiss gezuckerte Landschaft wanderten, kam fast ein bisschen Weihnachtsstimmung auf.
Die gute Stimmung verflog im Verlauf des Vormittags etwas: Umgefallene Bäume, die den Wanderweg versperrten und Schnee, der im Verlaufe des Tages so weich wurde, dass ich zum Teil bis zu den Hüften im Schnee steckte, machten einem das Leben schwer. Letzteres nennt man übrigens Postholing. Uuuh habe ich geflucht!
Richtung Pass wehten dann so starke Böen, dass ich gerade zu weggepustet wurde. Im Zickzack-Schritt schlug ich mich irgendwie durch. Und es war schei** kalt: Meine nassen Handschuhe waren pickelhart gefroren.
Nach etwa 9 Stunden kamen wir endlich auf dem Wolf Creek Pass an. Eine Fledermausforscherin war so nett und bot uns ein Bier und eine Fahrt nach Pagosa Springs an. Obwohl ein Kafi Schnaps sicher besser zum Wetter gepasst hätte, nahm ich das Bier und die Fahrt gerne an.
Grit, Legs und Hornsbee waren immer noch in Town und boten mir an, bei ihnen zu übernachten. Sie haben ein kleines Häuschen gemietet und mir einen Schlafplatz freigehalten. Dort angekommen, ging ich als erstes unter die Dusche. Noch nie habe ich eine heisse Dusche so genossen!
Nach einem guten Nachtessen in unterhaltsamer Gesellschaft legte ich mich todmüde ins weiche, warme Bett.






J.kamber@bluewin.ch
Und wir haben fast 30 Grad!
Gruss Jürg Kamber