Tag 1

Heute um 6 Uhr ging es endlich los. Zusammen mit drei anderen Wanderer fuhr ich nach Crazy Cook, zum Start des Continental Divide Trails. Die Fahrt war sehr unterhaltsam, der Chauffer, der den CDT selbst schon gewandert ist, hatte viele Geschichten zu erzählen. So zum Beispiel die von Jeff…

Jeff hatte sein Leben lang auf seiner Farm gearbeitet und mit 70 Jahren entschied er sich, sein Land zu erkunden. Also zog er los an die mexikanische Grenze, um den Continental Divide Trail zu wandern. Mit Jeans, weissem T-Shirt, Cowboyhut und seinem riesen Schnäuzer sah er aber nicht aus wie ein Normalo-Hiker. Das fiel wohl auch den Grenzbeamten auf. Auf einmal kreisten ob ihm Helikopter. Er dachte sich nichts dabei und als er müde war, schlug er sein Zelt auf und ruhte sich aus. Am nächsten Morgen wurde er unliebsam gewecht: Als er den Reissverschluss seines Zelts öffnete, waren drei Waffen auf ihn gerichtet. Eine Spezialeinheit, die illegale Einwanderer aus Mexiko aufspürt, hatte Wind vom „Mexikaner in Bluejeans“ bekommen. Als Jeff ihnen sagte, dass er Südstaatler sei und seit 70 Jahren in diesem Land lebe, wurde er in Ruhe gelassen.

Ich bin froh, dass mir das nicht passieren kann. Denn mit meinem fancy Wanderoutfit sieht man wohl schon vom Heli aus, dass ich eine Wanderin bin. Bis zur Grenze kreuzten wir aber etwa vier Grenzwagen. Es sind auch zahlreiche Kameras aufgestellt. In dieser Region soll es besonders viele illegale Grenzübergänge geben. Man sieht die Grenzgänger teils auch auf dem Trail. Der Chauffeur riet uns, ihnen etwas Verpflegung zu geben, falls wir denn welchen begenen sollten. Dies seien nur Menschen, welche in den USA ein besseres Leben suchten und würden uns nichts antun. Er zeigt noch auf zwei Farmen am Horizont, die einzigen Häuser die zu sehen waren. Wir sollten diese besser meiden, dort wohnten keine nette Leute. Na dann hoffe ich mal, dass ich mich nicht dorthin verirre.

Beim Crazy Cook Monument angekommen, gabs die obligaten Fotos und dann ist jeder für sich losgezogen. Der Weg ist einsamer, als ich es erwartet hätte: Mir ist den ganzen Tag nur ein Wanderer begenet. Später werde ich dann auch wissen warum…

Der Weg war anfangs sehr gut beschildert, aber nach ca. 2 km war ich um die Karte sehr froh. Es ist kein Spaziergang hier… Überall gibt es Dornen. Bei Kakteen sind sie ja offensichtlich, aber jedes noch so scheinbaraussehende Blümchen pickst! Der Boden ist meist sandig, was meine Fussgelenke nicht sehr lieben.

Ich war nicht so weit gekommen, wie ich dachte. Aber für den ersten Tag war es ok. Und so schlug ich etwa um 19.00 Uhr an einem sehr steinigen Ort mein Zelt auf. Zum Glück habe ich zwei Schlafmatten dabei, so waren die Steine kaum zu spüren. Obwohl ich den ganzen Tag nicht viel gegessen habe, hatte ich keinen Hunger. Meinem Körper ist wohl noch nicht bewusst, um was hier geht! Ich ass ein paar Nüssli und hüpfte dann in mein Schlafgemach.

Und plötzlich, als die Sonne untergegangen ist war sie da, diese absolute Stille. Nicht einmal Grillen machten sich bemerkbar. So sehr ich mich auf diesen Moment freute, es war ein merkwürdiges Gefühl, als er da war.

Die Nacht habe ich nicht viel geschlafen, der Wind wurde stärker und blies gegen mein Zelt. Das Rascheln hörte sich an, als ob jemand ständig um mein Zelt schleichen würde. Obwohl ich mir ziemlich sicher sein konnte, dass hier draussen niemand ist, habe ich keinen tiefen Schlaf gefunden. Wenigstens war es nicht kalt. Mein Quilt, das ich für extra kalte Nächte dabei habe, brauchte ich nicht.

Tag 2

Auf einmal war Morgen. Ich hatte das Gefühl, eben erst eingeschlafen zu sein und blieb noch ein bisschen liegen. Nachdem ich mich überwinden konnte, mein Zelt zu verlassen, kochte ich mir einen Haferbrei, denn so langsam kam der Hunger.

Mein erstes Ziel heute war es, Wasser zu suchen. Also steuerte ich das erste Wasserdepot auf der Karte an. Als ich da war, war mein Durst verflogen. Da war ein riesen Betonfass, gefüllt mit grünem, schleimigen Wasser. Und darin badeten Qualquappen, Federn (oder wohl halb verweste Vögel) und anderes Zeug, was ich nicht identifizieren konnte. Ich füllte meine leere Flasche, in der Hoffnung, das Wasser beim nächsten Depot wieder ausleeren zu können und saubereres zu kriegen. Weil das nächste Wasserdepot an der Strasse war, entschied ich mich, den Wanderweg für eine Weile zu verlassen.

Auf einmal sah ich weit vor mir zwei Wanderer. Als ich mich ihnen näherte sah ich, dass sie mir zuwinkten. „Are you from Switzerland?“ riefen sie. „Yes, I am“, antwortete ich verwundert. „Ah, dann können wir ja Deutsch sprechen, wir kommen aus Deutschland“, meinte die Frau. Ich werde von allen gesucht, sie wurden schon mehrmals gefragt, ob sie „The Girl from Switzerland“ gesehen hätten. Seit gestern Nachmittag sei ich nicht mehr gesehn worden, einige machten sich Sorgen. Dass ich seit gestern Nachmittag niemanden mehr gesehen habe, ist mir auch aufgefallen, aber ich habe mir nichts dabei gedacht….

Wegen den vielen Dornen und Gestrüpp sind die meisten nicht auf dem Wanderweg, sondern von anfang an auf der Strasse gelaufen. Mir war der Wanderweg halt lieber. Dass ich damit eine halbe Suchaktion auslösen werde, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst. Aber man gibt hier halt wirklich Acht auf einander.

Die zwei scheinen ein nettes Paar zu sein und wir liefen zusammen weiter. Am Nachmittag wurde es sehr heiss und windig. Schatten sucht man hier vergebens. Zum Glück fanden wir aber sauberes Wasser, welches Trailangels deponiert hatten. So konnte ich mein Wasser, in dem Viecher schwammen, aussschütten.

Unterwegs sind wir auf Hob gestossen. Er ist pensionerter Lehrer und wandert den CDT zum dritten mal. Wie auch immer man sich das antun kann… Hob ist sehr unterhaltsam, hat ein riesen Wissen und gab und zahlreiche Tipps mit auf den Weg.

Der Wind hat nicht nachgelassen, was es nicht gerade einfach machte, das Zelt aufzuschlagen. Ausserdem war es fast unmöglich, die Herringe fest in den sandigen Boden zuschlagen. Also suchte ich mir ein paar grosse Steine und befestigte mein Zelt so irgendwie. Es wird wohl nicht mit mir wegfliegen, wenn ich erstmal drinnliege, dachte ich mir. Weil ich die Sternen sehen wollte, stellte ich nur das Mückennetz auf.

Anders als gestern Abend, hatte ich richtig Kohldampf. Mein Köper weiss wohl langsam, um was es geht. Ich kochte eine Tüte Fettucine Alfredo, welche für zwei Personen berechnet wäre und verdrückte alles.

Als die Sonne langsam unterging, habe ich mich in mein Zelt verkrochen um auf die Sterne zu warten. Langsam fühle ich mich wohl hier in der Wildniss.